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title: "Bericht von Anhörung des Innenausschusses zur Kennzeichnungspflicht"
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date: 2018-07-08 10:00:00 +0200
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categories: politics
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Am 15. Juni fand eine Anhörung von Auskunftspersonen zur Kennzeichnungspflicht statt. Als Auskunftspersonen
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- Herr Dr. Tristan Barczak, ehemaliger Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht, Münster (benannt von GRÜNEN)
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- Herr Sascha Braun, Bundesjustiziar der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Berlin (benannt von SPD)
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- Herr Dr. Knud Dietrich, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster (benannt von SPD)
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- Frau Kerstin Klimsch, Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Berlin (benannt von SPD)
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- Herr Eric Töpfer, Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin (benannt von der LINKE)
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- Herr Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Berlin (benannt von CDU)
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Die FDP hatte Professor Dr. Clemens Arzt, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, eingeladen. Er hatte sich aber
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kurzfristig abgemeldet und nur eine schriftliche Erklärung eingeschickt. Herr Braun war in Vertretung des ebenfalls kranken
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Herrn Kirsch, Landesvorsitzender der GdP in Hamburg, in der Ausschusssitzung.
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<a rel="nofollow" href="https://www.hamburgische-buergerschaft.de/contentblob/11163978/fdbf88e8a5a30094959050103e2c7518/data/180615-dl.pdf">Tagesordnung</a>
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<a rel="nofollow" href="https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/62965/protokoll-wortprotokoll-zu-top-1-der-%c3%b6ffentlichen-sitzung-des-innenausschusses.pdf">Wortprotokoll</a>
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Das Wortprotokoll zur Anhörung umfasst 51 Seiten und auch meine Mitschriften sind relativ umfangreich. Ich werde nicht
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die gesamte Sitzung nacherzählen. Stattdessen werde ich für jede Auskunftsperson anhand ihres Eingangsstatements
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ihre Position deutlich machen. Für die Details verweise ich wie immer auf das Wortprotokoll.
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Mittlerweile hat dies auch nur noch dokumentarischen Charakter, da Innensenator Grote unlängst mitgeteilt hat, dass
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die Kennzeichnungspflicht in Form einer Nummer kommen soll.
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## Tristan Barczak (eher positiv zur Kennzeichnung)
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Herr Barczak machte deutlich, dass er nur seine persönliche Meinung äußert und keine Meinung einer Institution vertritt.
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Die Kennzeichnungspflicht sei verfassungsrechtlich zulässig und liege in der Entscheidungshoheit der Länder. Sie greife
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in die Persönlichkeitsrechte der Polizeibeamt\*innen ein. Bei jedem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte müsse die
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Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Es brauche ein legitimes Ziel für einen Eingriff. In diesem Fall sei die
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Strafverfolgung das legitime Ziel. Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte wiege nicht so schwer. In jedem Fall
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brauche sie eine gesetzliche Grundlage, könne also nicht einfach als Verordnung eingeführt werden.
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Eine freiwillige Einführung sei nicht zielführend.
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Es gebe keine belastbaren empirischen Daten für die Wirkung einer Kennzeichnungspflicht. Umgekehrt sei empirisch
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belegt, dass es keine oder nur verschwindend geringe Nachteile gebe.
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## Sascha Braun (negativ zur Kennzeichnung)
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Rechtlich sei es möglich eine Kennzeichnungspflicht einzuführen, aber es gehe um das Vertrauen in die Polizei. Es gebe
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aktuell schon sehr hohe Vertrauenswerte für die Polizei. Das basiere auf guter Ausbildung und gutem Handeln in
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schwierigen Situationen. Eine Kennzeichnungspflicht wirke wie ein Misstrauensvotum. Zudem gebe es keine Polizist\*in,
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die wegen dem Mangel an Kennzeichnungspflicht nicht ermittelt worden wären. Schließlich sei der Aufwand für die
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Einführung und Wartung einer Kennzeichnungspflicht nicht gerechtfertigt.
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## Knud Dietrich (positiv zur Kennzeichnung)
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Herr Dietrich erzählte von seiner Erfahrung in Brandenburg.
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In Brandenburg gebe es eine längerfristige Erfahrung mit einer gesetzlichen Regelung zur Kennzeichnungspflicht. Sie
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betreffe in Brandenburg alle uniformierten Truppenteile. Die Bereitschaftspolizei trage dabei eine Rückenkennzeichnung
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und der Rest größtenteils Namensschilder. Es sei keine objektiv messbare Verbesserung der Aufklärung zu verzeichnen.
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Eine Kennzeichnungspflicht gehöre zu moderner Polizeiarbeit. Die Gegenargumente seien bekannt und ernst zu nehmen.
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Entsprechende Aspekten seien im Brandenburger Gesetz berücksichtigt worden. Die Vergabe und Verwaltung der Kennzeichnung
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geschehe durch die personalverwaltende Stelle. Der Zugriff auf die Zuordnung der Kennzeichnung zur Person sei nur zu
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dienstlichen Zwecken möglich. Die Möglichkeit die zugeordnete Kennzeichnung zu wechseln, wurde bisher nicht beansprucht.
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Stand Ende Mai gebe es auch keine Erkenntnisse über eine persönliche Verfolgung und/oder maßlose Anschuldigung von
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Polizist\*innen.
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## Kerstin Klimsch (neutral bis positiv zur Kennzeichnung)
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Frau Klimsch wies daraufhin, dass sie Juristin sei und seit acht Jahren im Polizeivollzug arbeite und erst seit zwei
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Monaten in der Senatsverwaltung.
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Alle geschlossenen Einheiten hätten eine taktische Kennzeichnung am Rücken, wodurch sie nicht individuell zugeordnet
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werden können, woraus aber ihre Einheit ablesbar ist. Außerdem gebe es für alle Polizist\*innen ein Namensschild und je
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drei individuelle Ziffernfolgen. Es sei eine persönliche Entscheidung der Beamt\*innen vor jedem Einsatz, ob sie das
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Namensschild oder eine der drei Ziffernfolgen tragen möchten. Zudem gebe es die Möglichkeit eine Melderegistersperre
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einzurichten, wovon die meisten Dienstkräfte Gebrauch machten. In Berlin habe ein Gewöhnungsprozess eingesetzt.
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Wichtig sei bei der Einführung gewesen, dass als Grund nicht Strafverfolgung genannt wurde. Stattdessen wurde die
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Kennzeichnungspflicht als selbstverständlich für eine kundenfreundliche Polizei kommuniziert.
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## Eric Töpfer (positiv zur Kennzeichnung)
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Die Einführung einer Namenskennzeichnung im Streifendienst sei möglich aber menschenrechtlich nicht notwendig. Anders
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sehe es bei geschlossenen Einheiten aus. Dort sei eine chiffrierte Kennzeichnung geboten. Aus der Rechtsprechung
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auch des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ergebe sich die Pflicht zur Identifizierbarkeit von Polizist\*innen.
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Personen in geschlossenen Einheiten müssten identifizierbar sein, um Straftaten aufklären zu können. Wenn es beispielsweise
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ein Video mit klar erkennbarer Körperverletzung im Amt gebe, welche auch vom EGMR als solche erkannt würde, müsse
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eine Identifikation zwingend möglich sein. Eine chiffrierte Kennzeichnung sei dann bei geschlossenen Einheiten sinnvoll,
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da auf diese Weise die Persönlichkeitsrechte besser geschützt würden. Jeder Anschein einer nicht effektiven Ermittlung
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gegen Polizist\*innen müsse verhindert werden, um eine Schwächung des Rechtsstaates zu verhindern.
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Obwohl der Aufwand der Einführung einer Kennzeichnungspflicht beachtet werden müsse, so könne dadurch das Vertrauen
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in die Polizei erhöht werden.
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## Rainer Wendt (negativ zur Kennzeichnung)
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Die Kennzeichnungspflicht stelle einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Polizist\*innen dar. Sie habe zudem
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keinen positiven Effekt. Ebenso sei es zweifelhaft, ob eine solche Kennzeichnung DSGVO konform ist. Zwar wurde in
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Brandenburg festgestellt, dass die Bürgernähe gestiegen ist, aber diese Feststellung sei durch Ministerialbeamt\*innen
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vorgenommen worden und nicht beispielsweise durch eine Befragung der Bürger\*innen. Etwaiges positives Verhalten
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der Polizei sei unabhängig von einer Kennzeichnung und hänge von anderen Faktoren ab. Das Vertrauen in die Polizei
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so hoch wie in sonst keine Institution. Die Einführung der Kennzeichnungspflicht würde das Vertrauen der Polizei gegenüber
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der Politik beschädigen.
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## Fazit
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Im weiteren Verlauf der Ausschusssitzung wurden etliche Fragen gestellt und dabei kamen einige interessante Dinge
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zum Vorschein. Im Groben und Ganzen sind die Eingangsstatements aber für den weiteren Verlauf repräsentativ. Bei Interesse
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sollte das Wortprotokoll unbedingt gelesen werden, es ist recht spannend.
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