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title: "Bericht von Julisitzung des G20-Sonderausschusses"
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date: 2018-07-07 10:00:00 +0200
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categories: politics G20
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parent_link: /politics/
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Die Sitzung im Juli und die letzte vor der Sommerpause fand am 4. Juli statt. In ihr gab es eine
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kombinierte Expert\*innenanhörung und Senatsbefragung zu den Punkten "linksextremistische Szene
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in Hamburg, Deutschland, Europa" und "Rolle der Polizei/Vorwürfe gegen die Polizei". Außerdem ging
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es um die Erkenntnisse des Dezernats Interne Ermittlungen (DIE) der Innenbehörde.
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Für einen detaillierten Blick auf die Äußerungen sei auf das Wortprotokoll
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verwiesen. Dieser Bericht schildert meine Eindrücke und beschränkt sich
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auf einige Kernelemente und Schlussfolgerungen meinerseits.
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<a rel="nofollow" href="https://www.hamburgische-buergerschaft.de/contentblob/11263170/f9d1ef6e541e75d7776e516962c7694f/data/180704-dl.pdf">Tagesordnung</a>
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<a href="https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/63155/.pdf"
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rel="nofollow">Wortprotokoll der Bürgerschaft</a>
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Als Auskunftspersonen für den ersten Punkt der Anhörung waren folgende Personen geladen:
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- Extremismusforscher <a rel="nofollow" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_van_H%C3%BCllen">Rudolf van Hüllen</a>
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(vermutlich von CDU eingeladen)
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- Professor <a rel="nofollow" href="https://www.jura.uni-hamburg.de/forschung/institute-forschungsstellen-und-zentren/institut-kriminalwissenschaften/abteilung-kriminologie/personen/enzmann/vita.html">Dirk Enzmann</a>
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- Dr. habil. <a rel="nofollow" href="https://www.znf.uni-hamburg.de/studium/friedensbildung-peacebuilding/personen/nils-zurawski.html">Nils Zurawski</a>
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(vermutlich von der LINKE eingeladen)
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Für den zweiten Punkt zur Rolle der Polizei waren insbesondere geladen:
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- Pastor und Polizeiseelsorger <a rel="nofollow" href="https://www.nordkirche.de/adressen/personen/detailansicht/person/patrick-klein/">Patrick Klein</a>
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- Dr. <a rel="nofollow" href="https://www.rubikon.news/autoren/elke-steven">Elke Steven</a> (vermutlich von den GRÜNEN geladen)
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## Linksextremistische Szene in Hamburg, Deutschland, Europa
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Im Folgenden werde ich die wichtigsten Punkte aus der Befragung unkommentiert darstellen. In jedem Abschnitt ist
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deutlich wer die Quelle der im Konjunktiv wiedergegebenen Äußerungen war. Etwaige Widersprüche sind ebenso unkommentiert.
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### Hamburger Szene (Erkenntnisse des Senates)
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Eine linksextremistische Szene an sich gebe es nicht. Stattdessen gebe es viele Gruppen, die nebeneinander und
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teilweise gegeneinander existierten. Einig seien sie sich gegen die Polizei und Deutschland. Die Art des Kampfes
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sei ungleich. Einige befürworteten Gewalt während andere diese ablehnten. Ebenso gebe es kein einheitliches Bild
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für eine Gesellschaft nach der Revolution. Eine zeitweise Kooperation sei aber möglich.
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In Hamburg gebe es insbesondere drei Gruppierungen im linksextremistischen Bereich. Dies seien die Hamburger
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Autonomen, welche in der Roten Flora organisiert sind, die Interventionistische Linke und der
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Rote Aufbau Hamburg. Dabei sei die Interventionistische Linke (IL) eine postautonome Gruppe und
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der Rote Aufbau anti-imperialistisch eingestellt.
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Die Autonomen lehnten hierarchische Strukturen ab, hätten kein einheitliches Weltbild, strebten
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die Zerschlagung des Staates an und akzeptierten Militanz als legitimes Mittel des Protests.
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Der Rote Aufbau Hamburg sei gegen große Konzerne, grenze sich ab zu den Autonomen, wolle nicht
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das bürgerliche System bekämpfen, habe gleichwohl Hass auf das System und finde Gewalt akzeptabel.
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Die IL habe einen Konsens zwischen vielen autonomen, postautonomen und extremistischen Gruppen
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hinsichtlich G20 hinbekommen, sei für die Abschaffung der Strukturen Deutschlands und suche nicht
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Gewalt, lehne sie aber auch nicht ab.
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### Veränderungen in der linken Szene (nach Hüllen)
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Die Hamburger Szene befinde sich in einem Umbruchprozess. Ideengeschichtlich seien die Linken an die Aufklärung
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angebunden, die Orientierung an Utopien breche aber zunehmend weg. Stattdessen träten Feindbilder in den
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Vordergrund. Diese Umorientierung gehe mit einer höheren Aggressivität einher.
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Insgesamt würde die linksextreme Szene in Europa kleiner und aggressiver. Es gebe ein hohes Selbstbewusstsein in
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Hochburgen wie Hamburg. Die politische Fokussierung auf den Islamismus sorge für einen geringeren Aufklärungsdruck
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und linke Gewalt sei gesellschaftlich akzeptabler als rechte Gewalt. Jenseits der autonomen Szene bilde sich auch
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zunehmend eine postautonome Szene, die genau planten und eine "Revolution" machen wollten. Dabei seien sie auch strategisch
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und strebten an Bündnisse weit in die (auch bürgerliche) Gesellschaft zu bauen. Maßgeblich für diese postautonome
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Szene sei die Interventionistische Linke zu nennen.
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Während früher gegolten hätte, das Unbeteiligte nicht zu schaden kommen dürften, so sei dies immer weniger Leitlinie
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von linksextremen Gruppierungen. Anhand von Erhebungen des BKA sei deutlich, dass zunehmend eine Tötungsabsicht
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gegenüber wahrgenommenen Vertreter\*innen des Staates vorhanden sei. Wenn entsprechende Taten passierten, gebe es auch
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keine Distanzierung davon.
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### Hintergründe der Eskalation am Freitagabend (nach Enzmann)
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In einem großen Maße waren auch nicht-politische Menschen aktiv. Für die Eskalationsdynamik kämen mehrere Faktoren
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zusammen. Zum einen eine Liveberichterstattung, die eine konstante Untergangsstimmung präsentierte, dann der Ort des
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Geschehens - das Szeneviertel der Schanze - und die ständige Konfrontation mit der Polizei, wobei die Hubschrauber
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auch weiter entfernt wohnende Menschen konstant an das Geschehen erinnerten. Hinzu komme, dass ca. 10% der Jugendlichen
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die Polizei nicht als legitim ansähen. Die Kombination aus den genannten Faktoren, der bestehenden Anreisemöglichkeit
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und einer im Grundsatz vorhandenen Gewaltbereitschaft bei einigen Jugendlichen habe einen mobilisierenden Effekt gehabt.
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### Bewertung der G20-Ereignisse durch Hamburger Szene (nach Hüllen)
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Die Gewaltexzesse um G20 würden als Panne gewertet. Unmittelbar am Freitagabend seien primär die Autonomen erschrocken
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gewesen, weil sie ihre Besitzstände zu verteidigen hatten. Die Strategie von revolutionären Gruppen sei aber derart,
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dass bei wahrgenommenem Rückweichen des Systemgegners die Forderungen erhöht würden. Daher dürfe G20 nicht ohne
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Konsequenzen bleiben, da dies ansonsten zu einer Stärkung der linksextremen Szene führe.
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### Reaktion der Hamburger Szene auf G20 (Erkenntnisse des Senats)
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Es gebe einen Konsens sich öffentlich nicht kritisch zu anderen Gruppen zu äußern. Die Polizei sei der Erzählung
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nach allein Schuld an der Eskalation.
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Die IL versuche das Bündnis von extremistischen bis gemäßigten Gruppen auch nach G20 am Leben zu halten. Es gebe keine
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öffentliche Distanzierung von der Gewalt. Der Freitagabend sei nur situativ entstanden aus der Wut über das Erlebte.
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Das öffentliche Gesicht der IL, Emily Laquer, habe auch bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses gesprochen und
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sich als Anwohnerin ausgegeben. Die IL wollte die Einbindung und Anerkennung in nicht-extremistischen Bereichen.
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Teil der Erzählung sei auch das Scheitern einer versuchten Spaltung der linken Kräfte.
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Die Rote Flora habe sich anfangs distanziert von der Militanz aus Selbstzweck. Diese Distanzierung führte zu internen
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Auseinandersetzungen in deren Folge die Distanzierung immer weiter aufgeweicht wurde. Das Ziel der Rotflorist\*innen
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sei die Rückgewinnung von Sympathie gewesen.
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Der Rote Aufbau sehe in den erlebnisorientierten Jugendlichen eine zu organisierende Zielgruppe. Zudem habe er keine
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Probleme mit den Plünderungen.
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Insgesamt werde G20 als Erfolg gewertet. Die Diskussion über ausufernde Gewalt nimmt immer weniger Raum ein. Neuerdings
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gebe es ein veröffentlichtes Schreiben, in dem die Verfasser\*innen behaupteten die Geschehnisse in der Elbchaussee
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seien eine politische Botschaft und die Gewalt gezielt gewesen. Die IL und die Autonomen glaubten, dass Aktionen
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vermittelbar seien. Es sei daher ungemein wichtig, dass es Feedback zur Gewalt durch nicht extremistische Teile der
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Gesellschaft gebe. Insofern stünde die Hamburger Szene an einem Scheideweg.
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Aktuell scheine die linke Szene weniger aktionistisch und ein wenig lethargisch. Autor\*innen auf Indymedia
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bedauerten die Passivität und die fehlende Antwort auf "Repression". Die beste Reaktion auf Durchsuchungen
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seien nach diesen Autor\*innen viele verletzte Polizeibeamt\*innen. Es werde auf anschlussfähige Themen gewartet.
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### G20 nur Teil einer Konfliktgeschichte (nach Zurawski)
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G20 sei nicht der Höhepunkt an Gewalt gewesen. Auf Bildern zu den Konflikten in der Hafenstraße sehe man vermummte
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Menschen mit schwarzen Helmen. Im Vergleich dazu sei G20 deutlich weniger gewalttätig gewesen. Aufgrund der insgesamt
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abnehmenden Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft wirke vorhandene Gewalt exzessiver.
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Es sei schwer ermittelbar, was der konkrete Auslöser einer Eskalation ist. Ein Indiz sei das massive Vorhandensein
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des "Gegners" Polizei.
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Zudem sei G20 nur ein Punkt in der Geschichte eines Konfliktes. Die Proteste des Dezembers 2013 und die Gefahrengebiete
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seien nicht ordentlich aufgearbeitet worden. Wenn man jetzt nicht vernünftig Konsequenzen ziehe und alles aufarbeite,
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dann werde der Konflikt weiter im Hintergrund existieren \[und bei nächster Gelegenheit wieder hervorbrechen\].
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Die Aufrüstung der Polizei bestätigte die Story der Linken von dem "Repressionsgegner".
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### Verantwortung der linken Szene (Erkenntnisse des Senats)
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Es sei falsch, wenn die Verantwortung für die Eskalation alleine auf situative Zufälle geschoben werde. Auch Gewalthooligans
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gehörten fest zur Strategie gegen die Polizei. Gegen 20 Uhr am Freitag seien drei Franzosen aktiv geworden. Sie hätten
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Störer\*innen motiviert auf 10 Meter heranzugehen und von dort Steine zu werfen, da dies größere Verletzungen hervorrufe
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und ein weglaufen immer noch möglich sei. Insgesamt hätten ausländische Störer\*innen einen großen Unterschied gemacht.
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Die Hamburger Szene sei maßgeblich an der Mobilisierung beteiligt gewesen. Es seien Depots angelegt worden. Bei einer
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Demonstration im Vorfeld von G20 in der Nähe der Messe seien Menschen von der IL Rostock gesehen worden, die in einem Auto
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Waffentechnik versteckt hätten. Bei einer anschließenden Durchsuchung der IL Rostock seien viele belastende Dinge gefunden
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worden.
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Herr S. sei der wesentliche Organisator des Camps am Vorhornweg gewesen. Bei ihm seien Präzisionsschleudern und vieles
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mehr gefunden worden. Ebenso sei ein handgeschriebener Zettel mit den Daten eines hochrangigen Polizeibeamten gefunden
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worden. Er sei zudem eine Führungsfigur beim Roten Aufbau Hamburg und wurde beim Rondenbarg festgenommen. Das Camp
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sei als Logistik- und Basislager verwendet worden.
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Es seien insgesamt 3750 linksextreme Menschen aus Deutschland mobilisiert worden und 1600 bis 1700 aus dem Ausland.
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Obwohl Postautonome und Autonome grundsätzlich in Konkurrenz stünden, seien auf den Aktionskonferenzen der IL auch
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Vertreter\*innen der Autonomen gewesen. In der Regel seien Postautonome nicht in der Roten Flora auffindbar.
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Insbesondere die IL habe sehr stark mobilisiert. Sie sei auch in Italien aktiv gewesen. Sie hat zwei Aktionskonferenzen
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durchgeführt, ihre Vertreter\*innen waren viel auf Reisen in Deutschland und im Ausland. Die Autonomen hätten hauptsächlich
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über das Internet mobilisiert und einige wenige Reisen in Deutschland gemacht. Der Rote Aufbau habe eine Aktionskonferenz
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organisiert und im Internet mit vielen Videos mobilisiert.
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Es hätten "Freundschaftsbesuche" bei gewalttätigen Gruppierungen im Ausland stattgefunden. Der Aufruf zu Welcome to Hell
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mit dem Bild eines brennenden Hamburgs sei klar auf Gewalt hin orientiert gewesen. Die Mobilisierung hat zu einer
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großen Anreise nach Hamburg geführt.
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Die Hamburger Szene habe ein Gemisch angerührt, den sehr gewalttätigen Teil aber anderen überlassen. Die Mobilisierung
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sei aber unterhalb einer Strafbarkeitsschwelle. Im polizeilichen Hellfeld gebe es keine strafrechtlich relevanten
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Erkenntnisse in Verbindung mit der Roten Flora.
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### G20 als Karneval (nach Zurawski)
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Es sei eine konstante gesellschaftliche Leistung, dass die Stadt am nächsten Morgen noch ungefähr so aussieht, wie
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am Abend zuvor. G20 sei eine Umdrehung der Verhältnisse gewesen, ein Ausbruch aus dem Alltag. Ungefähr so wie der
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Karneval die Verhältnisse umdreht. Zum Teil seien die Ereignisse orchestriert gewesen. Gewaltaffine Menschen hätten
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bei G20 die Möglichkeit gehabt gegen die Verhältnisse vorzugehen. Je mehr Leute da seien, desto einfacher falle Gewalt.
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Die Dezentralisierung sei dabei aus Sicht der linksextremen Gruppen eine gute Taktik gewesen, da dadurch die Polizeikräfte
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aufs Stadtgebiet verteilt wurden. Die langen und engen Straßen im Schanzenviertel hätten auch zur Gewalt beigetragen.
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### Eskalation als geplantes Ziel (Erkenntnisse des Senats)
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Auch wenn die situative Entwicklung ihren Einfluss habe, sei die Eskalation maßgeblich geplant gewesen. Ausländische
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Gruppen hätten sich bis zu einem Jahr auf G20 vorbereitet. Die Kriminalpsycholog\*innen des LKA sehen die schwarze
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Kleidung als Uniform. Die Vermummung sei dabei Garant für die Taktik. Nichts sei
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dem Zufall überlassen. Ein günstiger Moment wird herbeigeführt oder genutzt. Gewaltanwendung werde als legitime Notwehr
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gegen die Systemmacht angesehen. Die Menschen seien autonom aber auch Teil einer Bewegung. Sie kämpften nach eigener
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Überzeugung für Menschenrechte, gegen "Unterdrücker" wie Polizeibeamt\*innen, die Politik uvm. Unterstützer\*innen
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feuerten sie an. Sie verabscheuten persönliche Verantwortung und liebten die verdeckte Situation. Die Entmenschlichung
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mache Gewalt nötig als Handlungsmöglichkeit. G20 war ein Anreiz mit hoher Medienpräsenz. Daraus ergäben sich Grenzen
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der Ansprechbarkeit und Steuerbarkeit. Eine situative Reaktion auf diese Gruppen sei nicht möglich.
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### Prävention gegen Linksextremismus nötig (nach Hüllen)
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Die politische Bildung in Bezug zu Linksextremismus sei sehr zurückhaltend. Von 240 geförderten Präventionsprogrammen
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seien 85% gegen Rechtsextremismus, 4% gegen Linksextremismus und der Rest gegen Islamismus. Dabei sei sicherlich
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jedes Programm gegen Rechtsextremismus gerechtfertigt, aber gerade in Hochburgen linker Gruppen müsse mehr Aufklärung
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gegen linke Gewalt stattfinden.
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Dies sei manchmal ein Problem, weil sich Lehrer\*innen weigerten entsprechende Aufklärung zu betreiben aus Angst
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im Anschluss Ziel von linksextremen Gruppen zu werden.
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Eine mögliche staatliche Reaktion wäre die Kürzung öffentlicher Gelder für linksautonome Projekte.
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### Prävention (nach Enzmann)
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Wenn man langfristig Gewaltprävention mache, dann politisch ungerichtet. Das Ziel müsse auch eine Verbesserung der
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Legitimitätswahrnehmung der Polizei sein. Insbesondere mit jugendlicher Opposition müsse man anders umgehen. Bei
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Jugendlichen sei eine moralische Rechtfertigung für ihr Handeln vorhanden. Die Interpretation einer Situation habe
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großen Einfluss und bei einigen Organisationen gehöre Gewalt zur Identifikation. Wenn man internationale Organisation
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und Mobilisierung unter einen Generalverdacht stelle, dann könne das dazu beitragen, dass die Polizei als Gegner gesehen
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werde.
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Auch situativ könne man viel machen. Ein massives Auftreten der Polizei eskaliere grundsätzlich. Insofern sei es die
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richtige Entscheidung gewesen am Freitag nicht direkt ins Schanzenviertel zu gehen. Sobald die Situation zum Eingreifen
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entstehe, müsse die Polizei aber auch entschieden handeln können.
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### Prävention langfristig denken (nach Zurawski)
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Prävention müsse frühzeitig passieren. Schon in der Schule müssten Kinder und Jugendliche lernen Konflikte zivilisiert
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auszutragen. Das sorge dafür, dass diese Menschen als Erwachsene eine Haltung hätten. Sprachlich werde der Begriff
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der Gewalt immer nur für die jeweils andere Seite verwendet. Es werde leichtfertig vieles als "Gewalt" bezeichnet,
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um die eigene gewalttätige Handlung zu rechtfertigen. Individuelle Faktoren für Gewaltausübung seien jedoch schwer zu
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ermitteln.
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## Rolle der Polizei/Vorwürfe gegen die Polizei
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Nur als Metainformation. Diese Zeilen schreibe ich etwa 3-3,5 Stunden nachdem ich das Schreiben dieses Berichts
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begonnen habe.
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### Bericht Seelsorger
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G20 war einmalig für die polizeiliche Seelsorge. Es waren 50 Seelsorger\*innen in Hamburg und ökomenisch organisiert.
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Das Gesamtbild sei nicht darstellbar.
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Die Vorbereitungen liefen lange im Vorwege von G20. Eine besondere Belastung schon vor G20 war eine gefühlte und
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reale Bedrohungslage durch "Gegner\*innen". Die Liegenschaft in Alsterdorf an der Hindenburgstraße sei beobachtet
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worden durch "Gegner\*innen". In einem Fall fehlten Radmuttern von Privat-PKWs von Polizeibeamt\*innen. An Briefkästen
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war "ACAB" geschmiert. Ein betroffener Polizeibeamter überlegte, ob er seine Dienstwaffe mit nach Hause nehmen sollte,
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auch wenn er dies eigentlich nicht wollte, weil er Angst um seine Familie hatte.
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Die Aktion "Follow Cops back Home" sei ebenso belastend gewesen. Es wurde auch kein Unterschied zwischen Uniformierten
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und bspw. Seelsorger\*innen gemacht. Insgesamt habe es schon im Vorwege zu G20 eine hohe psychologische Belastung
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gegeben.
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Während G20 stellten vor allem sog. Nadelstich-Angriffe eine hohe Belastung dar. Trotz hoher Belastung wollten selbst
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dehydrierte Einsatzkräfte schnell wieder zu ihren Einheiten. Die mangelnde Bereitschaft zu Differenzierung auf der
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Straße sei belastend gewesen. Auch der mangelnde Respekt machte vielen Polizeibeamt\*innen zu schaffen. Das insgesamte
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Level war für viele neu und daher so belastend.
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Auch aus dem bürgerlichen Lager kam es zu Angriffen. So habe eine 70-jährige Frau einen Polizisten bespuckt.
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Wenn die Polizei zu jeder Beleidigung eine Strafanzeige gestellt hätte, dann säßen die Beamt\*innen noch heute am
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Schreibtisch.
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Im Nachgang zu G20 hätte es immer wieder Zweifel an der Berufswahl gegeben. Auch die mangelnde Berichterstattung
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über positiv verlaufene Demos hätte belastet. Aktuell gebe es kaum psychologische Belastungen. Der große Dank der
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Bevölkerung sei hilfreich gewesen.
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### Eingangsstatement Steven
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Die Eskalation habe schon im Vorfeld begonnen. Am Sonntag Nachmittag vor G20 sollte das Camp in Entenwerder aufgebaut
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werden. Die Polizei habe die ankommenden Menschen als Gegner\*innen betrachtet. Das Cornern am Dienstag sei friedlich
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gewesen. Dennoch sei die Polizei hineingegangen und habe Transparente beschlagnahmt. Die Teilnehmer\*innen blieben
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friedlich. Die Polizei sei als Gegner\*in deutlich geworden.
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Zu Deeskalation gehöre die Haltung, dass Demonstrationen richtig und wichtig sind. Mit so einer Haltung könne man
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auch eine Mediation unternehmen. Laut der OSZE trage die Polizei zur Friedlichkeit bei, wenn Demonstrierende ihr Anliegen
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so vortragen könnten, wie es ihnen passe.
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Die Integration von militanten Gruppen könne gelingen, wenn friedliche Gruppen gestärkt werden, ihre Punkte vortragen
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können und damit Erfolg haben.
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### Kritik an System Polizei ungleich Kritik an Polizeibeamt\*innen (nach Zurawski)
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Es sei wichtig zu verstehen, dass eine Hundertschaft aus Menschen besteht. Empathie mit den Polizeibeamt\*innen sei
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nötig. Allerdings müsse eine systematische Kritik an der Polizei möglich sein. Zudem gebe es einen Unterschied zwischen
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legal, legitim und klug. Eine Polizeiaktion mag legal und sogar legitim sein und dennoch unklug. Eine selbstkritische
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Haltung sei vonnöten.
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Die Camps hätte man anders lösen können. Eine andere Umgangsform wäre möglich gewesen. Es sollten feststehende Kanäle
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zwischen Polizei und Szene aufgebaut werden, damit diese im Fall der Fälle genutzt werden können.
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### Distanzierung von Gewalt nicht nötig (nach Steven)
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Eine Distanzierung von Gewalt sei nicht nötig. Ziviler Ungehorsam sei nicht per se unfriedlich. Die Polizei habe
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die Aufgabe Demos zu ermöglichen und Kooperationen seien möglich.
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### Auffassung des Senats
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Der Anspruch müsse immer ein friedlicher Verlauf von Veranstaltungen sein. Eine Auswertung von G20 sei nötig und es
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gebe eine Wechselwirkung mit dem Verhalten der Polizei. Im Kern sei der Ablauf aber unabhängig von der Polizei. Die
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größte Eskalation habe es mit Gruppen gegeben, die während G20 nicht mehr erreicht werden konnten und in Abwesenheit
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der Polizei.
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Der Umfang an friedlichen Demos so nah am Gipfelgeschehen sei so hoch gewesen wie noch nie. Die Tanzdemo sei trotz
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Teilnahme durch extremistische Gruppen friedlich geblieben, weil sich die Teilnehmer\*innen entsprechend verhielten.
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Über das Jahr gesehen gebe es nur wenige eskalierende Veranstaltungen bei den gleichen Polizeikräften. Daher sei auch
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die Kritik an einer Hamburger Linie fehl am Platze.
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Das Camp sei der zentrale Punkt von Organisation und Gewalt gewesen. Wenn es mehrere Camps gegeben hätte, dann hätte
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Hamburg mehr Gewalt gesehen.
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Die mögliche Kommunikation mit Hamburger Gruppierungen sei begrenzt, da einige davon den Staat nicht als legitim
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ansähen, wodurch die Idee einer dauerhaften Kommunikation signifikant erschwert würde.
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## Erkenntnisse des DIE
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### Bericht des DIE
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Im Nachgang zu G20 wurde der Auftrag des DIE deutlich erweitert. So sollten auch Vorfälle untersucht werden, die
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unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegen. Jene Fälle wurden subsummiert unter dem Begriff Prüfsachverhalte. Im Team
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befänden sich auch Personen aus der Verwaltung und eine Juristin. Insgesamt wurden 400 Erkenntnisquellen recherchiert.
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Ergab sich bei der Untersuchung eines Prüfsachverhaltes ein Anfangsverdacht einer Straftat, wurde ein Ermittlungsverfahren
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eingeleitet.
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Von 164 Prüfsachverhalten sind noch 50 offen. Insgesamt gab es 152 Ermittlungen (abgeschlossen und offen). Auch die
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Prüfsachverhalte wurden mit den kompletten Unterlagen inklusive der Akten aufgeklärt. Häufig bleibt eine Antwort von
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Geschädigten aus, was ein großes Problem darstelle. 39 Prüfsachverhalte führten zu Ermittlungen aufgrund einer Straftat.
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70 Prüfsachverhalte wurden abgeschlossen mit der Erkenntnis, dass dort keine Straftat vorlag. In 39% der Fälle war
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die Kritik unberechtigt, in 39% der Fälle konnte die Kritik nicht untersucht werden mangels genauer Angaben und in 21%
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der Fälle war die Kritik berechtigt.
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Teilweise fehlte ausreichende Dokumentation der Polizei. Nur 30% der Ermittlungen geht auf direkte Meldung der
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Geschädigten zurück. Wenn die Geschädigten unbekannt blieben, dann falle eine Ermittlung schwer.
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Es wurden 186 Geschädigte ermittelt, wovon 37% unbekannt sind. Von 26% der Bekannten gab es keine Reaktion. Auch bei
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den Geschädigten, welche selber eine Anzeige stellten, komme oftmals keine Reaktion auf eine Anfrage. 54% der bekannten
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Geschädigten ohne eigene Anzeige reagierten nicht.
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Es gebe 93 unbekannte Beschuldigte in Ermittlungsverfahren. In 50% dieser Fällen seien die Geschädigten unbekannt oder
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machten keine Angabe. In einigen der Fälle gebe es keinen polizeilichen Bericht oder die Infos aus Berichten seien
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unzureichend. In 9% der Fälle seien Videosequenzen nicht ausreichend auswertbar. In 17% der Fälle sind sonstige Gründe
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für die mangelnde Identifikation verantwortlich (bspw. Kennzeichnungen falsch abgelesen, in einem Fall konnte
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Kennzeichnung nicht mehr zugeordnet werden aufgrund des Ablaufs der Speicherfrist).
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Bei den Prüfsachverhalten gebe es 218 Beschuldigte, wovon 96 bekannt seien. 62 davon wurden selbst ermittelt. In Einzelfällen
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war eine individuelle Kennzeichnung sinnvoll. 85% der Beschuldigten finden sich bei dem Einsatzabschnitt Eingreifkräfte
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und Gegenveranstaltungen.
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### Bericht der Staatsanwaltschaft
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Bei der Staatsanwaltschaft seien 138 Verfahren anhängig. Davon wurden 67 mangels eines Verdachts eingestellt. In wenigen
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dieser Fälle handelte es sich um Pauschalanzeigen. Viele Geschehen waren unter der Straftatschwelle. Wenn eine rechtswidrige
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Handlung nicht bewiesen werden kann, dann wird das Verfahren eingestellt. In vielen Fällen konnte der Sachverhalt
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nicht ermittelt werden. In 38 Fällen wurde die Identität der Beschuldigten nicht ermittelt, allerdings wurden nur 11
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davon alleinig mangels Identität eingestellt.
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In bisher drei Fällen wurde eine Beschwerde über die Einstellung eingereicht, in deren Folge die Generalstaatsanwaltschaft
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die Verfahren überprüft habe. Allerdings seien die Beschwerden unbegründet gewesen. Bislang habe es keine Klageerzwingungsanträge
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gegeben. Es gebe keinen Grund an der Richtigkeit der Einstellung der Verfahren zu zweifeln. Zukünftig wird die
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Generalstaatsanwaltschaft alle eingestellten Verfahren in Verbindung mit G20 und beschuldigten Polizist\*innen
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überprüfen. Dabei solle die Prüfung eines Anfangsverdachts großzügig geschehen, sodass wirklich jede kleinste
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Ermittlungsmöglichkeit ausgeschöpft werde.
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## Fazit
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Fast 5 Stunden später und somit nur etwas schneller als die Sitzung selber dauerte, habe ich diesen Bericht
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fertiggestellt bzw schreibe diese Zeilen. Es war die letzte Sitzung vor der Sommerpause. Die nächste und letzte Sitzung wird
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im August stattfinden.
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