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title: "Bericht von Februarsitzung des G20-Sonderausschusses"
date: 2018-02-12 10:00:00 +0200
categories: politics G20
parent_link: /politics/
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Am 8. Februar fand nach nur zwei Wochen seit der letzten Sitzung die Februarsitzung
des G20-Sonderausschusses statt. Aufgrund der vollen Tagesordnung ging es bereits
um 16 Uhr los und auch in Zukunft sollen die Sitzungen jeweils um 16 Uhr bereits
starten.
Für einen detaillierten Blick auf die Befragungen sei auf das Wortprotokoll
verwiesen. Dieser Bericht schildert meine Eindrücke und beschränkt sich
auf einige Kernelemente und Schlussfolgerungen meinerseits.
<a href="https://www.hamburgische-buergerschaft.de/contentblob/10375324/d67a4059d991e32d5b245061138b9633/data/180208-dl.pdf" rel="nofollow">Tagesordnung</a>
<a href="https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/61349/protokoll-der-%c3%b6ffentlichen-sitzung-des-sonderausschusses-gewaltt%c3%a4tige-ausschreitungen-rund-um-den-g20-gipfel-in-hamburg-.pdf" rel="nofollow">
Wortprotokoll</a>
## Auskunftspersonen
Es gab insgesamt fünf inhaltliche Punkte auf der Tagesordnung. Die Punkte a-c
beschäftigten sich noch mit dem Vorfeld des Gipfels, während d und e bereits
die Durchführung des Gipfels betrachteten. Aufgrund der Kurzfristigkeit des Termins
war ich nur zu Beginn der Sitzung anwesend und habe daher nur einen der inhaltlichen
Punkte verfolgen können. Abweichend von der Tagesordnung wurde Punkt c (Allgemeinverfügung)
an die erste Stelle gezogen und vor den Camps (Punkt a) und der Justiziellen
Begleitung/Darstellung der Rechtsprechung im Vorfeld (Punkt b) behandelt.
Für die Punkte a-c waren als Auskunftspersonen
- Rüdiger Behrens, Justizbehörde Hamburg,
- Dr. Christian Ernst, Bucerius Law School,
- Dr. Gunnar Törber, Verwaltungsgericht Hamburg und
- der Präses der Justizbehörde Dr. Till Steffen
geladen.
## Warum Allgemeinverfügung?
Laut Angaben der Innenbehörde und der Polizei gab es im Vorfeld der Entscheidung
über eine Allgemeinverfügung auch Erwägungen dies über Einzelverfügungen zu
regeln. Es wurden etliche Punkte angebracht, weswegen eine Allgemeinverfügung
sinnvoller sei. Letztlich lassen diese sich wie im Folgenden dargestellt zusammenfassen.
**Weniger Arbeitsaufwand**
Eine einmal erstellte Allgemeinverfügung gilt für einen ganzen Bereich und jegliche
Veranstaltungen. Die rechtlichen Auseinandersetzungen gibt es also konzentriert
und einmalig. Bei Einzelverfügungen hingegen müsste der gesamte rechtliche Apparat
immer wieder neu bemüht werden. Außerdem sei es in der Hitze des Gipfels kaum
möglich adequat auf neue Anmeldungen im Gebiet der letzlich erlassenen Allgemeinverfügung
einzugehen. Durch die Allgemeinverfügung seien alle Veranstaltungen in derem Gebiet
erst einmal verboten und dies reduziere den Arbeitsaufwand auch für die Polizist\*innen
vor Ort erheblich.
**Transparenz**
Durch die Allgemeinverfügung sei für alle Betroffenen gleichermaßen transparent
gewesen, welche Regeln gelten. Bei Einzelverfügungen hingegen hätte sich vielmehr
ein Gefühl der Willkür durchgesetzt.
**Rechtssicherheit**
Durch die zeitige Veröffentlichung der Allgemeinverfügung bestand die Hoffnung,
dass rechtliche Auseinandersetzungen diesbezüglich bereits vor dem Gipfel
erfolgen würden. Bei Einzelverfügungen hingegen hätte für jede Verfügung einzeln
der Rechtsweg beschritten werden müssen und eine derartige Unsicherheit während
des Gipfels sei inakzeptabel gewesen.
**Sicherheit**
Jegliche Protokollstrecken mussten die gesamte Zeit über frei sein. Dies war
unbedingt zu garantieren. Insofern hätten ohnehin keine Veranstaltungen in dem
betreffenden Bereich genehmigt werden können. Die Allgemeinverfügung habe den
Polist\*innen die notwendigen rechtlichen Mittel an die Hand gegeben, um dies
zu gewährleisten.
Die Sicherheit der Protokollstrecken sei im Übrigen auch ein Grund gewesen,
warum die Allgemeinverfügung bis zur erfolgten Abreise der Staatsgäste in Kraft
bleiben musste.
## Anreise Staatsgäste
In Verbindung mit der Allgemeinverfügung wurde auch das Verkehrschaos am 6. Juli
angesprochen. Die Innenbehörde bzw. die Polizei hätten erst kurz vorher von der
Anreise bereits am 6. Juli erfahren, sodass sie die Allgemeinverfügung nicht mehr
ausdehnen konnten. Die "Gegenseite" (mehrfach so genannt seitens Grote und Co)
sei jedoch ebenso überrascht gewesen, sodass es letztlich nicht geschadet habe,
dass es am 6. Juli noch keine Allgemeinverfügung gab.
Anhand dieser Erkenntnis wird aber auch klar, warum es ein solchen Verkehrschaos
gab. Weder der HVV noch Autofahrer\*innen konnten sich im Vorfeld darauf einstellen,
dass es bereits am 6. Juli zu solch großflächigen Sperrungen kommen würde.
Im Vorfeld hat die Polizei sich auch den Airbus-Flughafen angesehen, dieser kam
aber aufgrund der schwierigen verkehrlichen Anbindung an die Innenstadt nicht
in Frage. Eine Anreise per Bahn oder mit dem Helikopter vom Flughafen aus
sei prinzipiell auch eine Option gewesen, das Auswärtige Amt habe allerdings
absolut den Straßentransport präferiert. Außerdem seien alle Staatsgäste mit
dem Flugzeug angereist.
## Rechtmäßigkeit Allgemeinverfügung
Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung gab es unterschiedliche
Ansichten. Die Innenbehörde und Polizei haben sie logischerweise verteidigt und
auf die vielen Gerichtsurteile verwiesen, die die Allgemeinverfügung stützten.
Till Steffen war nach wie vor der Ansicht, dass die Allgemeinverfügung nicht
richtig war. Christian Ernst hat einige juristische Argumente genannt, weswegen
die Allgemeinverfügung nicht rechtmäßig sei. Ich führe die sehr juristische
Debatte hier aber nicht aus, da sie für die politische Bewertung relativ unerheblich
ist und vor allem im Nachhinein auch wenig zur Sache tut.
Die Justizbehörde schickte am 20. April eine Notiz an die Innenbehörde, in der
auf einige Unwägbarkeiten und Risiken einer Allgemeinverfügung hingewiesen wurde.
Laut Polizei wurde diese zur Kenntnis genommen, hat die Erstellung der
Allgemeinverfügung aber nicht beeinflusst, da die genannten Punkte entweder ohnehin
schon berücksichtigt oder aber nicht geteilt wurden. Im Juni hat die Justizbehörde
dann eine Prüfung der zu dem Zeitpunkt erlassenen Allgemeinverfügung unternommen
und dabei festgestellt, dass ein Teil der im April angemerkten Punkte eingearbeitet
wurde.
## Bestmögliche Reduktion der Einschränkung
Trotz Allgemeinverfügung und keiner Notwendigkeit zum Anbieten einer alternativen
Route wurde in vielen Fällen geschaut, wie sich mit den Veranstalter\*innen
geeinigt werden kann, um so viele Veranstaltungen wie möglich stattfinden
zu lassen.
Grote verwies auch darauf, dass bei dem G8-Gipfel in Heiligendamm die nächste
Demo in Rostock war und bei dem Gipfel in Elmau die Demo in München gewesen sei.
Eine derartige Nähe zwischen Gipfelort und Veranstaltungen habe es nirgendwo bisher
gegeben.
## Till Steffen - "Es wird keine Demo-Verbotszone geben"
Schließlich möchte ich hier noch auf die ebenfalls untersuchte Äußerung Till
Steffens, dass es keine Demo-Verbotszone geben werde, eingehen. Die Fragen zu
diesem Sachverhalt kamen ausschließlich von der CDU, die sicherlich auch
parteipolitische Absichten verfolgt. Dennoch bleibt die Tatsache, dass
Till Steffen nicht wirklich geantwortet hat.
Auf die Frage, wie die Äußerung von Till Steffen am 11. April zustande kam,
in der er "Es wird keine Demo-Verbotszone geben" (Zitat aus [Abendblatt][0]) sagte,
antwortete er ausweichend und gab bekannt, dass er erst am 8. April aus der Zeitung
von den Plänen einer Allgemeinverfügung gehört habe. Der 8. April war ein Samstag.
Eine etwaige Senatsbesprechung hätte daher realistisch am 10. April stattfinden
müssen. Laut CDU waren zu dem Zeitpunkt aber sowohl Olaf Scholz als auch Andy
Grote im Urlaub. Es stellt sich also die Frage, ob diese vor der Äußerung von
Till Steffen konsultiert wurden.
Angeblich habe Till Steffen dann am 12. April in der Bürgerschaft eine Kehrtwende
vollzogen und etwas anderes zur Allgemeinverfügung gesagt, so die CDU. Till Steffen
mahnte an, dass er in der Rede nichts zur Allgemeinverfügung gesagt habe und im
Übrigen auch seine Position nicht geändert habe. Nach Recherche im entsprechenden
[Plenarprotokoll][1] muss ich sagen, dass beide Recht haben. Das Wort Allgemeinverfügung
taucht in der Tat nicht auf, inhaltlich hat Steffen das Thema aber durchaus
geschnitten:
> Selbstverständlich werden wir in Hamburg die Versammlungsfreiheit gewährleisten.
> Jede einzelne Anmeldung einer Demonstration wird sorgfältig geprüft.
> Genauso klar ist aber auch, dass die Polizei die Sicherheit in der Stadt vor und
> während des Gipfels gewährleisten wird.[...]
> In diesem Sinne führt die Polizei die Kooperationsgespräche und hat, auch das
> muss deutlich gesagt werden, hierbei nicht von Verbotszonen, blauen
> Zonen oder anderen verbotenen Bereichen gesprochen. Sie hat darauf hingewiesen,
> an welcher Stelle die konkrete Versammlung aus den genannten Gründen nicht
> stattfinden kann.
Er bezieht sich in diesem Abschnitt auf eine Presseäußerung der Veranstalter\*innen
einer Veranstaltung, mit denen noch vor einer Allgemeinverfügung gesprochen wurde
und die dann am 8. April damit vor die Öffentlichkeit getreten sind. Anhand der
Äußerungen der Polizei im Sonderausschuss, dass auch ohne Allgemeinverfügung es
eine Zone gegeben hätte, in der keine Veranstaltungen hätten stattfinden können,
muss aber hier die Äußerung Steffens in der Bürgerschaft kritisch gesehen werden.
Was die Polizei im Gespräch mit den Veranstalter\*innen sagte, kann ich nicht
einschätzen. Eine "Demo-Verbotszone" gab es aber schon da im Hinterkopf der Polizei.
Die Äußerung Steffens deckt sich mit seiner Auffassung einen Tag davor. Sie deckt
sich aber nicht mit der tatsächlichen Planung der Polizei. Später antwortete
Steffen auf eine Frage, dass die Allgemeinverfügung keine Entscheidung des Senates
gewesen sei. Dann stellt sich aber die Frage, warum er sich dann vollkommen unnötig
in die Nesseln setzte und eine Äußerung machte, dass sich der Senat einig sei, dass
es keine Demo-Verbotszone geben würde? Selbst wenn alle bis auf Grote gegen diese
Zone gewesen wären, wäre sie gekommen, da es laut Steffen nicht die Entscheidung
des Senates war.
Von der CDU wurde auch noch bezweifelt, dass Steffen erst am 8. April aus der
Presse von den Plänen einer Allgemeinverfügung gehört habe. Denn bereits in einer
[schriftlichen kleinen Anfrage der LINKE][2] vom 22. Februar war die Allgemeinverfügung
Thema:
> 10\. Inwiefern sind für den G20-Gipfel Allgemeinverfügungen in Vorbereitung
> oder beabsichtigt, die unter anderem das Versammlungsrecht einschränken?
> Bitte detailliert darstellen.
>
> Der Erlass einer Allgemeinverfügung im Sinne der Fragestellung befindet sich
> momentan in der Prüfung. Diese Prüfung ist derzeit noch nicht abgeschlossen.
> Im Übrigen werden im Einzelfall alle versammlungsrechtlichen Möglichkeiten geprüft,
> um einen Ausgleich zwischen der Gewährleistung der Sicherheit der Veranstaltung
> und ihrer Teilnehmer sowie der Wahrung des Grundrechts gemäß Artikel 8 GG herzustellen.
> Die Bewertung und der Umgang mit bislang vorliegenden versammlungsrechtlichen
> Anmeldungen sind noch nicht abgeschlossen.
Basierend darauf stellt sich natürlich die Frage: Wieso erfährt der Justizsenator
erst aus der Presse davon und warum nimmt anscheinend niemand in seinem Umfeld
diese Anfrage und die Antwort der Innenbehörde zur Kenntnis und legt sie dann
Till Steffen vor?
Für mich bleibt in diesem Punkt Ernüchterung. Denn eine wirkliche Aufklärung hat
seitens Till Steffen nicht stattgefunden, stattdessen gab es Ausflüchte und
Allgemeinplätze. Die CDU mag mit diesen Fragen taktische Spielchen treiben
und der Senator mag deswegen darauf abweisend reagieren, dabei bleiben aber die
Inhalte und die Aufklärung auf der Strecke. Schade.
[0]: https://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article210231995/Steffen-Es-wird-keine-Demo-Verbotszone-geben.html
[1]: https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/58627/plenarprotokoll-21-56.pdf
[2]: https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/56752/g20-ii-%e2%80%93-vorbereitung-der-gipfel-sicherung.pdf
## Fazit
Ich habe leider nur einen Punkt der Sitzung mitnehmen können, dieser ist aber
bereits sehr umfangreich und spannend gewesen. Ich hätte mir auch noch gerne
den Teil zu den Camps angesehen, aber da hatte ich leider schon einen anderen
Termin. Hoffentlich ist der nächste Termin bereits früher bekannt.