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title: "Hindernisse im Leben oder die Kunst des Aufstehens"
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date: 2017-10-14 12:00:00 +0200
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categories: blog
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Alle Menschen haben diese Momente. Momente im Leben, in denen einfach nichts
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funktioniert und es kein Licht am Horizont gibt. Es können der Tod von guten
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Bekannten, die Trennung der Eltern, eine gescheiterte Beziehung, eine
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herbe Niederlage, eine zerstörte Existenz oder andere Dinge sein. In jedem Fall
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sind häufige Symptome so einer Situation die persönliche Niedergeschlagenheit,
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fehlende Antriebskraft, mangelnde Hoffnung auf eine bessere Zukunft und manchmal
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das Gefühl, das ganze Universum hätte sich gegen einen verschworen. Diese Momente
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frustrieren und lähmen. Doch sie sind gleichzeitig die entscheidenden Kreuzungen
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im Leben.
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Jede niederschmetternde Erfahrung ermöglicht eine grundlegende Kursänderung und
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ein besseres Morgen. Der Weg dorthin und raus aus der Krise ist häufig steinig,
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nicht gleich sichtbar und viel zu oft nicht ohne weitere Krisen. Die meisten
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Geschichten arbeiten mit solchen Momenten, um aus einer losen Gruppe an Personen
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eine Gefolgschaft, vielleicht sogar Helden zu machen. Bei Herr der Ringe ist
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es der Moment als die Hobbits um Frodo und Sam, Gandalf, Gimli, Legolas, Aragorn
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und Boromir zur Gefolgschaft des Rings werden. Bis zum Ende des ersten Films
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hat sich eine Vertrautheit und Freundschaft gebildet, die durch alle drei Filme
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trägt.
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Können solche U-Catastrophies (das Gegenteil von Katastrophen) auch im echten
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Leben passieren? Oder sind sie lediglich Teil von geschriebenen Geschichten?
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Es ist meine Überzeugung, dass solche U-Catastrophies auch im echten Leben
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entstehen können.
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Berühmte Beispiele sind Hurricanes wie Katrina, die eine Schicksalsgemeinschaft
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entstehen lassen - in diesem Beispiel New Orleans. Diese kollektive Erfahrung
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ist in das Gedächtnis aller in New Orleans lebenden Menschen fest eingebrannt.
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Fast alle werden Leute kennen, die bei dem Hurricane ihre Existenz verloren haben.
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Es braucht jedoch keine Naturphänomene, um Existenzen zu zerstören. Manchmal
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reicht alleine die Verkettung von Einzelereignissen, die für sich genommen
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noch überschaubaren Schaden anrichten, aber in Kombination eine zerstörerische
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Kraft entfesseln. Dafür entwerfe ich folgendes fiktives Szenario, welches jedoch
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durchaus realistisch ist und Menschen betreffen könnte. Daher als Disclaimer:
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Jedwede Übereinstimmung mit Erfahrungen anderer Menschen ist rein zufällig und
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nicht beabsichtigt. Für dieses Szenario verwende ich eine Person namens Augustus,
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die 17 Jahre alt ist.
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Nach einer rund einjährigen Beziehung beendet der Freund von Augustus die
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Beziehung. Die Folge Liebeskummer und Niedergeschlagenheit. Das alleine ist
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sicherlich fast allen Menschen schon einmal passiert. Doch kurz danach trennen
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sich auch noch die Eltern von Augustus und in Folge dessen muss Augustus eine
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Wohnung vom Jugendamt bekommen. Diese Dreierpackung an übertragenen Faustschlägen
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ins Gesicht würde viele Menschen auf den Boden zwingen. An dieser Stelle eröffnet
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sich eine Kreuzung im Lebensweg. Wie geht das Leben von Augustus an dieser Stelle
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weiter? Dies lasse ich offen, damit sich alle Leser\*innen diese Situation selber
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vorstellen und überlegen können, wie sie in der Situation agieren würden.
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Allerdings werde ich darlegen, welche Faktoren die Zukunft von Augustus maßgeblich
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beeinflussen. Das mache ich daran deutlich, was für mich in so einer Situation
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wichtig wäre.
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Nach so einer Ereigniskette und nach Wegfall der Eltern als Stütze wäre es für
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mich zentral, dass ich Freund\*innen habe, mit denen ich über die Erfahrungen reden
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kann und die mir eine Konstante bieten, an der ich mich orientieren kann.
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Dadurch könnte ich trotz aller widrigen Umstände vernünftig bleiben und mir
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mithilfe meiner Freund\*innen eine neue Existenz aufbauen. Auch die Schule wäre
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in so einer Situation eine Konstante, die eine Neustrukturierung des Lebens
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erleichtert.
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Mit diesen beiden Stützen wäre es unter Umständen möglich bereits früher als
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sonst Verantwortung für eine eigene Wohnung zu übernehmen und somit das Leben
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in die eigene Hand zu nehmen. Das Ergebnis des Schicksalsschlags könnte ein
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gestärktes Selbstbewusstsein und eine bessere Zukunft sein.
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Auf der anderen Seite könnte diese Weggabelung ebenso in den Abgrund führen.
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Die Schulleistungen könnten nachlassen. Es könnte Probleme mit dem Jugendamt
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geben und die neue Wohnung ist vielleicht in einem ganz anderen Stadtteil ohne
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bekannte Strukturen. Es könnte sich Traurigkeit einstellen, eventuell auch
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Depression. Im schlimmsten Fall könnte es zu Suizidgefährdung führen.
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Etwas weniger schlimm aber dafür über einen längeren Zeitraum hatte ich
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tatsächlich so eine Weggabelungssituation. Vom Kindergarten bis zum Ende der 10.
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Klasse wurde ich gemobbt. Meinen Bruder konnte ich auch nicht unbedingt
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leiden. Diese dauerhaft beschissene Situation ging so weit, dass ich teilweise
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die Pausen vor dem Lehrerzimmer verbrachte und teilweise nicht mehr zur Schule
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wollte. Freund\*innen hatte ich in der Zeit keine. Die einzige Freizeitaktivität
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waren Computerspiele.
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Mein Lebensweg hätte sich an unzähligen Momenten in eine düstere Entwicklung
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begeben können. Stattdessen habe ich irgendwann in der 8. Klasse das Programmieren
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angefangen und über das Internet mitbekommen, dass es auch Menschen gibt, die
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mich mit meinen Fähigkeiten wertschätzen. Dies war dann meine Stütze, die
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bis zum Ende der Schule getragen hat. Sie ist auch der Grund dafür, dass ich
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mich für den Informatik-Studiengang eingeschrieben habe.
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Rückblickend war dies die singulär beste Entscheidung meines gesamten Lebens.
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Am Informatikum habe ich eine Menge an richtig tollen Menschen getroffen. Erst
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in diesem Umfeld konnte ich langsam aus mir herauskommen und ein Großteil der
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sozialen Entwicklung nachholen, die normalerweise während der Schulzeit stattfindet.
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Die weitere auch politische Entwicklung habe ich bereits hier auf der Seite
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niedergeschrieben. Wenn ich nicht gemobbt worden und in der Schule beliebt
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gewesen wäre, hätte ich vielleicht nie mit Programmieren angefangen und
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mein Leben könnte heute viel schlechter aussehen.
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Daher komme ich zum Schluss dieses Artikels. Jeder Schicksalsschlag bietet die
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Möglichkeit für eine bessere Zukunft, auch wenn man sie im Moment nicht sieht.
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Es geht nicht ums Umfallen, sondern darum wieder aufzustehen.
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