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title: "Ressortprinzip, Gewaltenteilung und die Leiden des kleinen Koalitionspartners"
date: 2017-09-19 12:00:00 +0200
categories: politics
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Im Zuge der G20-Aufarbeitung wird häufig Kritik an den GRÜNEN laut. Sie hätten
mehr bspw. gegen die Ernennung von Herrn Dudde machen sollen. Solche Vorwürfe
wurden auch erst vor Kurzem wieder auf einer Sitzung der Landesarbeitsgemeinschaft
Demokratie, Recht und öffentliche Sicherheit der GRÜNEN Hamburg geäußert.
Im Folgenden versuche ich zu erklären, warum es rein strukturell für den kleineren
Koalitionspartner eher schwierig ist, in diesem Maße Einfluss zu nehmen. Dabei
ist es egal, ob es um die GRÜNEN, die FDP oder eine andere Partei geht.
## Ressortprinzip
Vielen Menschen wird das Wort "Ressortprinzip" erst einmal unbekannt vorkommen.
Was bedeutet das eigentlich? Dahinter verbirgt sich das Lebenselixier von Koalitionen.
Denn es sagt effektiv aus, dass die Senator*innen in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich
eigenverantwortlich agieren können. Dabei sind sie natürlich an den Koalitionsvertrag
gebunden, aber darüber hinaus entscheiden sie alleine. Natürlich
ist es möglich für Senator\*innen auch Themen aus anderen Ressorts im Senat
anzusprechen. Allerdings haben sie kein Anrecht darauf, dass darüber eine gemeinsame
Entscheidung getroffen wird.
Nun könnte man denken, dass diese Ressortaufteilung im Hinblick auf G20 eher blöd
für den kleineren Koalitionspartner ist, weil dieser eine Mitverantwortung für
die Handlungen der Regierung hat, aber defacto keinen Einfluss
auf diese. Dieser Gedanke wäre jedoch falsch, denn das Ressortprinzip ermöglicht
überhaupt erst das Setzen eigener Akzente für den kleineren Koalitionspartner.
Wenn alles im gesamten Senat entschieden werden müsste, dann würde der kleinere
Partner immer unterliegen. Die Rolle des Juniorpartners in einer Koalition würde
sich also für keine Partei lohnen.
Das führt zum Schluss, dass es hier wie üblich sowohl positive als auch
negative Aspekte gibt. Bei G20 überwiegen aus Sicht der GRÜNEN die negativen,
aber in anderen Bereichen klar die positiven Aspekte.
## Gewaltenteilung
In Hamburg gilt anders als auf Bundesebene eine strikte Gewaltenteilung.
Mitglieder des Senats dürfen nicht gleichzeitig ein Mandat in der Bürgerschaft
ausüben. Das führt auch in der Praxis zu einer stärkeren Trennung zwischen Senat
und Bürgerschaft und stärkt das Parlament, wenngleich der Senat weiterhin eine
Mehrheit in der Bürgerschaft hat. Es ist aber durchaus wahrscheinlicher, dass
die Regierungsmehrheit in der Bürgerschaft weitgehendere Forderungen hat als
der Senat selber.
Die Fraktionen der Bürgerschaft vertreten dort politisch die Position ihrer Parteien
im Rahmen des Koalitionsvertrags. Daher kann es durchaus zu in Einzelpunkten widersprüchlichen
bzw. unterschiedlichen Positionen kommen. Die Ernennung von Herrn Dudde zum
Gesamteinsatzleiter ist aber eindeutige Exekutivaufgabe. Die Legislative hat
demnach kein Mitspracherecht. Die Position von Herrn Dudde ist zudem auch keine
politische Position, sondern eine dienstliche.
Die Bürgerschaftsfraktion der GRÜNEN hat also in ihrer Funktion keinerlei
Möglichkeit diese Einsetzung zu beeinflussen. Die Senatsmitglieder können
als Teil der Exekutive natürlich ihren Unmut äußern. Allerdings führt uns
das wieder zum Ressortprinzip. Die Ernennung geschah in der Polizei, welche
der Innenbehörde untergeordnet ist. Damit ist der Innensenator politisch
zuständig, hat aber selber die Ernennung nicht einmal vorgenommen. Auch
die Senatsmitglieder hatten also keinen Anspruch auf Beteiligung an dieser
innerpolizeilichen Entscheidung.
## Folgen
Diese Umstände bringen die GRÜNEN in Bezug zu G20 in eine Dilemmasituation.
Defacto haben sie kaum Einflussmöglichkeiten und sind auf die Zustimmung der SPD
in den wichtigen Fragen angewiesen. Auf der anderen Seite wird aber genau diese
Einflussnahme als Grund für eine Regierungsteilnahme gesehen und somit von den
GRÜNEN erwartet. Diese Anforderung können sie gar nicht erfüllen. Sie können sich
aber bestmöglich für eine Aufklärung von G20 im Sinne der Bürger*innenrechte
einsetzen.
Letztendlich ist die beste Medizin gegen diese bittere Pille des Juniorpartners
schlichtweg ein besseres Wahlergebnis. Je mehr prozentualen Anteil der kleinere
Partner an der Mehrheit im Parlament hat, desto mehr Gewicht hat dieser gegenüber
dem größeren Partner. Bestes Beispiel dafür ist Schleswig-Holstein, wo die GRÜNEN
in einer Jamaika-Koalition viele Errungenschaften der Küstenkoalition beibehalten
konnten.
Wer für künftige Großereignisse der Art G20 besser gewappnet sein möchte und
ein progressiveres Polizeiverhalten wünscht, sollte am 24. September
Bündnis 90/Die GRÜNEN wählen.
#DarumGrün