2019-10-14 18:20:50 +02:00
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title: "Zusammenfassung der Anhörung des Innenausschusses zum Polizeigesetz"
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date: 2019-10-14 10:00:00 +0200
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categories: politics
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Am 19. September fand eine Anhörung von Auskunftspersonen zum Entwurf des geänderten Polizeigesetzes statt.
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Als Auskunftspersonen waren geladen:
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- Herr Professor Dr. Mattias G. Fischer von der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung
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- Herr Dr. Sebastian Golla, Johannes Gutenberg-Universität in Mainz
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- Herr Professor Dr. Dieter Kugelmann, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in
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Rheinland-Pfalz
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- Frau Professor Dr. Marion Albers von der Universität in Hamburg
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- Frau Dr. Anna Luczack, Rechtsanwältin in Berlin
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- Herr Professor Dr. Guido Kirchhoff, Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin
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<a rel="nofollow" href="https://www.hamburgische-buergerschaft.de/contentblob/12935586/8b90955e3d2b01de88e3782ed99fb7b5/data/190919-dl.pdf">Tagesordnung</a>
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<a rel="nofollow" href="https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/68104/protokoll\_wortprotokoll\_der\_oeffentlichen\_sitzung\_des_innenausschusses.pdf">Wortprotokoll</a>
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Das Wortprotokoll zur Anhörung umfasst 99 Seiten. Ich werde nicht die gesamte Sitzung nacherzählen. Stattdessen
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werde ich für jede Auskunftsperson anhand ihres Eingangsstatements ihre Position deutlich machen. Für die Details
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verweise ich wie immer auf das Wortprotokoll.
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## Mattias G. Fischer
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Herr Fischer befindet den Entwurf grundsätzlich gut, sieht aber einige Schwächen:
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1. Fußfessel: Die Einsatzschwelle sei zu niedrig; Begrenzung auf Terrorismus oder zumindest schwere Gewaltstraftaten.
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2. Meldeauflage: Die Regelung sei prinzipiell gut, allerdings solle sich die Eingreifschwelle an den Voraussetzungen
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für Aufenthaltsverbot orientieren und somit gesenkt werden. Zudem bemängelt er den Mangel einer zeitlichen
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Begrenzung für den Erlass einer Meldeauflage.
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3. Gefährderansprache: Sollte noch in den Entwurf aufgenommen und explizit geregelt werden. Da dies ein sogenannter
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Massenfall sei, könne er nicht über die polizeiliche Generalklausel begründet werden.
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4. Anordnungsbefugnis des Datenschutzbeauftragten: Die Streichung der Befugnis sieht Herr Fischer kritisch.
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## Sebastian Golla
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Herr Golla lobt den Entwurf als grundsätzlich ausgewogen. Besonders positiv sei der Verzicht auf gewisse neuartige
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polizeiliche Befugnisse. Allerdings sehe auch er vier Dinge kritisch:
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1. Anordnungsbefugnis des Datenschutzbeauftragten: Die Streichung sei nicht unionsrechtskonform, da es wirksamer
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Abhilfebefugnisse wie den rechtsverbindlichen Anordnungen bedürfe. Wirksam bedeute hierbei: eine tatsächliche
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Durchsetzungsmöglichkeit wird entfaltet.
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2. komplexe Datenanalyse: Es sollte eine Berichtspflicht des Senats an die Bürgerschaft geben sowie eine
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verpflichtende Datenschutzfolgeabschätzung. Ebenso sei eine höhere Datenqualität festzuschreiben.
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3. Einwilligung in Datenverarbeitung: Es solle weniger häufig die Einwilligung abgefordert werden, da für viele
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Menschen eine Einwilligung auf der Polizeistelle nicht freiwillig erscheine. Im Falle einer Einwilligung müsse
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stets über die Folgen der Verweigerung aufgeklärt werden.
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4. Betroffenenrechte im Datenschutzrecht: Die Einschränkung der Betroffenenrechte, falls diese unverhältnismäßigen
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administrativen oder ökonomischen Aufwand erzeugten, sei unionsrechtlich nicht zulässig.
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## Dieter Kugelmann
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Herr Kugelmann empfiehlt das sogenannte "mitziehen" der Daten nach spätestens 20 Jahren abhängig von einem
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Richtervorbehalt zu machen. Darüber hinaus hat er noch folgende vier Punkte:
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1. Datenanalyse: Es fehle an Konkretisierung. So könnte nach Dateien differenziert werden, es müsste beantwortet
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werden, ob Daten aus verdeckten heimlichen Überwachungen genutzt werden können, und eine Berichtspflicht über die
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konkrete Umsetzung an die Bürgerschaft sollte eingerichtet werden.
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2. Akkreditierung: Der Anwendungsbereich sei etwas weit. Müsse jeder Würstchenverkäufer in einem Stadion so
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akkreditiert werden, wie Leute mit Zugang zu sicherheitskritischen Bereichen? Außerdem sei der Begriff der
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"Zustimmung" \[zur Akkreditierung durch den Veranstalter, Anm. von mir] juristisch ein neuer Begriff. Diese
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Zustimmung sei seiner Ansicht nach eine Art zwingende Mitwirkungshandlung; es bedürfe einer weiteren
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Konkretisierung.
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3. Betroffenenrechte: Es sollte eine Benachrichtigungspflicht an den Datenschutzbeauftragten in Fällen geben, wo
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der Verfassungsschutz Anfragen ablehnt.
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4. Befugnisse Datenschutzbeauftragter: Bei heimlichen Überwachungen sollen Datenschutzbehörden kompensatorisch
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tätig werden. Dafür brauche es Ressourcen und die Ausstattung des Datenschutzbeauftragten sei daher von
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Bedeutung. Ebenso brauche der Beauftragte effektive Befugnisse und dürfe nicht vom Gericht abhängig sein, um
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Rechtsverbindlichkeit zu erzeugen.
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## Marion Albers
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Auch Marion Albers sieht fünf kritische Punkte:
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1. Einwilligung: Die Einwilligung in der aktuellen Form sei problematisch. Wenn sie allgemein geregelt werde, sollte
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dies nachgeordnet und abgregrenzt zu den übrigen Verarbeitungszwecken geschehen.
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2. Mitziehregelung: Es müsse zwischen Prüfpflichten und Frage der Speicherdauer/Speicherfrist unterschieden werden.
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Die aktuelle pauschale Regelung sei nicht tragfähig; die vorhandene zeitliche Eingrenzung reiche nicht aus.
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3. Datenanalyse: Es sei zunächst eine deutlich differenziertere Regelung mit tatbestandlichen Eingrenzungen und
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Schutzvorkehrungen sowie eine Legaldefinition nötig. Perspektivisch müsse der Abschnitt noch weiter spezifiziert
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werden.
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4. Betroffenenrechte: Das Absehen von einer Auskunfterteilung, wenn die betroffene Person keine Infos gibt, die
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zum Auffinden geeignet sind, könne so nicht gemeint sein. Schließlich wird eine betroffene Person meist keinen
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Überblick über die bei der Polizei gespeicherten Daten haben. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
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hat Auskunftsregelungen gestärkt und solche Eingrenzungen nur unter sehr engen Voraussetzungen anerkannt.
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5. Befugnisse des Datenschutzbeauftragten: Die Beanstandung und Warnung genügten nicht. Durch die DSGVO wurden
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die Datenschutzbehörden bewusst gestärkt und dies sollte sich auch so in Gesetzen wiederfinden. Eine
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gerichtliche Feststellung hätte nur begrenzte rechtliche Wirkung, damit sei keine hinreichende Wirksamkeit der
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Abhilfebefugnisse gegeben.
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## Anna Luczack
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Frau Luczack hat zunächst die Position des Deutschen Anwaltvereins vorgetragen. Selber ist sie Mitglied im
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republikanischen Anwaltverein.
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Der Deutsche Anwaltverein möchte eine bessere Verankerung des besonderen Schutzes von Berufsgeheimnisträgern
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erwirken. Zum Beispiel im Hinblick auf präventiv-polizeiliche Durchsuchungen von Anwaltskanzleien.
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Frau Luczack sieht den eingeführten Richtervorbehalt für Observationen länger als 24 Stunden als begrüßenswert an.
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Allerdings hat auch sie einiges zu kritisieren:
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1. Meldeauflage: Die aktuelle Fassung sei zu allgemein und zu weitgehend.
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2. gezielte Kontrolle: Die neue Möglichkeit ausgeschriebene (gesuchte) Fahrzeuge jederzeit durchsuchen zu können,
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gehe zu weit. Notfalls sei eine Identitätskontrolle selbst bei fremden Fahrzeugführer*innen denkbar. Die
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Durchsuchung des Fahrzeugs, obwohl die gesuchte Person sich nicht darin befindet, gehe aber definitiv zu weit.
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3. Fotos im Gewahrsam: Es sei viel zu weitgehend, von jeder Person in einer Gefangenensammelstelle Fotos zu machen.
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Es gebe aus guten Gründen hohe Hürden für eine erkennungsdienstliche Behandlung.
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4. Betroffenenrechte: Die bisherige Praxis der Polizei sei problematisch. Für Personen mit negativem Bescheid
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sei oft nicht erkennbar, ob keine Daten vorhanden sind oder ob es lediglich geheime Daten gibt.
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## Guido Kirchhoff
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Herr Kirchhoff hat das Hamburger Polizeirecht als sehr vorbildlich gelobt und dies kontrastiert mit dem
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vermeintlich katastrophalen Berliner Polizeirecht. Man solle sich bei Berlin eher am Flughafenbau orientieren.
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Eine perfekte Umsetzung des Datenschutzrechts sei aktuell unmöglich. Die Frage sei, ob vorauseilend die strengste
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und datenschutzfreundlichste Variante genommen werde. Im Zweifel müsse man eben später die strengere Variante
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nehmen, wenn der Europäische Gerichtshof dies verlangt.
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Die Kritik von Herrn Kirchhoff hält sich in sehr engen Grenzen:
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1. Berichtspflicht: §19 mache einen Verweis ins Leere.
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2. elektronische Aufenthaltsüberwachung (Fußfessel): Seiner Ansicht nach sei dies ein schwächeres Mittel als
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Gewahrsam. Die Verhältnismäßigkeit müsse ohnehin immer beachtet werden. Allerdings sollte Absatz 1 klarer
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gefasst werden. Die Aufenthaltsüberwachung wegen Terrorfinanzierung mache wenig Sinn, eher wegen der im
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entsprechenden Paragraphen gelisteten Straftaten. Es werde auf § 129 StGB verwiesen statt auf den vermutlich
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gemeinten § 129 a.
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3. Vorbereitung Explosions- und Strahlungsverbrechen: sollte klarer gefasst werden
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4. Befugnisse des Datenschutzbeauftragten: Die vorliegende Regelung sei kein Streichen, sondern die Entscheidung
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es nicht zu regeln. Über das Gericht könne es sogar effektiver sein, es muss nur schnell genug gehen.
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5. Meldeauflage: Wie Herr Fischer sagt, sollte die geringere Hürde genommen werden. Ebenso sollte "zur Verhütung
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von Straftaten" ins Gesetz geschrieben werden - für die Rechtssicherheit. Der Richtervorbehalt für eine
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Verlängerung sei nicht nötig und könnte sogar schädlich sein: Die Polizei könnte dann gleich die längere Frist
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nehmen. Eine zeitliche Frist für die Dauer sei zudem nicht nötig und es sei auch nicht verfassungswidrig.
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6. Aufenthaltsverbot: Hier sollte ebenso wie bei der Meldeauflage die Verlängerungsmöglichkeit explizit gefasst
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werden.
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## Fazit
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Bis auf Herrn Kirchhoff äußern sich alle Auskunftspersonen in die ähnliche Richtung. Es gibt im Großen und Ganzen
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lobende Worte für einen ausgewogenen Gesetzesentwurf mit einigen konkreten Verbesserungsvorschlägen. Diese
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überlappen sich mehrmals in den Ausführungen. Häufig kommen vor: Meldeauflage, Befugnisse des
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Datenschutzbeauftragten, Datenanalyse und die Betroffenenrechte. Diese werden von fast allen Auskunftspersonen
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angesprochen in der einen oder anderen Weise. Fußfessel und Einwilligung von jeweils zwei.
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Diese Eingangsstatements sind natürlich verkürzt wiedergegeben. Auch im Wortprotokoll stellen die Eingangsstatements
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nur einen Teil der vollständigen Position der Auskunftspersonen dar. Denn einige Punkte wurden zur Vermeidung
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von Redundanz nicht erneut von einer Auskunftsperson vorgetragen, wenn bereits einige vorher davon sprachen.
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In der anschließenden Fragerunde sind die Auskunftspersonen möglicherweise auf weitere Dinge eingegangen, aber
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an dieser Stelle habe ich mich auf die Statements begrenzt.
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